Zurückschlagen als Widerstand

Helene Pawlik
Zitate
2001


Helene Pawlik wird 1940 aus Polen zur Zwangsarbeit nach Niederösterreich deportiert. Sie ist 25 Jahre alt und muss auf dem Hof der Familie Bauer in Hafnerbach bei St. Pölten arbeiten. Das bedeutet täglich 12 Stunden harte Feldarbeit ohne Freizeit oder einen freien Sonntag. In mehreren Interviews von 2001 spricht Helene Pawlik über die Jahre der Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. Wie viele andere Deportierte war sie mit physischer und sexueller Gewalt durch den Arbeitgeber konfrontiert und wehrte sich, so gut es ging. 1941 brachte Helene Pawlik ihren Sohn Josef auf die Welt und blieb, anders als die meisten, nach der Befreiung in Österreich. Schadenersatz für die Zwangsarbeit unter dem Naziregime hat sie niemals erhalten.


Der Hitler hat die Ausländer genommen

Zuhause hat es keine Arbeit gegeben. Und der Hitler hat die Ausländer, sogar die Mädchen, von jedem Haus haben sie jemanden genommen. Auf einmal sind zwei [polnische] Polizisten und ein deutscher Soldat gekommen und der unsere hat zu mir gesagt: „Wenn du nicht gehst, dann erschießen wir dich.“ Ich hab gesagt: „Du, ich geh eh, morgen ist Samstag und am Dienstag fahren wir.“ Da bleibt dir nichts übrig, da musst du gehen.

Ausländer kriegen keine Eier

Die Bäuerin [in Hafnerbach] hat gesagt: „Eier kriegt ihr keine, weil der Hitler hat ja gesagt, Ausländer kriegen keine Eier.“ [Lacht.] Und bevor die Russen einmarschiert sind, hat sie ein ganzes Körberl fortgetragen, lauter gute Eier, und ist damit in den Wald. Der Weg, da müssen Steine gewesen sein und sie ist niedergefallen, mit den Eiern. Alle hat es zusammengehaut. Da hab ich mir gedacht: Das ist gut jetzt, weil mir hast du ja keine gegeben.

Ich bin schwanger, aber nicht von dir

Der Bauer war so brutal. Der hatte nichts übrig für uns, die Ausländer. Das war beim Futterholen auf dem Heimweg, mit den Pferden sind wir gefahren. Und er sitzt da und ich sitze da [auf dem Wagen], da hat er angefangen mit den Füßen. Hab ich gesagt: „Greif mich bei den Füßen nicht an und beim Knie auch nicht, sonst hau ich dir eine in die Goschen! Das kannst du mit anderen Weibern anfangen, mit mir nicht!“ Hat er gesagt: „Ach so, heiklig [= heikel] bist du auch noch, Ausländerinnen kann ich auch haben.“ Hab ich gesagt: „Nein.“

Der Bauer hat zu mir gesagt: „Jetzt kriegst du ein Kind. Du bist eine Hure.“ Hab ich gesagt: „Ich bin schwanger, aber nicht von dir, du hast deine Frau.“ Da ist es losgegangen. Dann hat er mich verprügelt. Wie oft habe ich Schläge gekriegt von ihm! Ich bin oft zur Bäuerin gegangen und hab es ihr erzählt. Hat sie gesagt: „Ich kann dir nicht helfen. Er ist so jähzornig.“ Hab ich gesagt: „Ich zeige ihn an, dass wir illegal Schweine geschlachtet haben.“ Hat sie gesagt: „Das darfst du nicht machen. Wenn sie ihn einsperren, was sollen wir dann tun?“


Biografie Helene Pawlik


Objekt
Fotos von Helene Pawlik
Foto 1: mit Ochse Max, 1940
Foto 2: mit Sohn Josef und Frau Bauer (rechts), 1941/42

Archiv
Privatarchiv Romana Pawlik


Objekt
Zitate von Helene Pawlik im Gespräch mit Ela Hornung und Ernst Langthaler (Audio- und Videointerview)
2001, Hafnerbach, Niederösterreich

Archiv
Privatarchiv Ela Hornung, Ernst Langthaler, Sabine Schweitzer
(Videointerview mit Helene Pawlik)
 

Literatur

Stefan Hördler, Volkhard Knigge, Rikola-Gunnar Lüttgenau und Jens-Christian Wagner (Hg.)
Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
Katalog zur Ausstellung in Steyr
Göttingen 2016

Ela Hornung, Ernst Langthaler, Sabine Schweitzer
Zwangsarbeit in der Landwirtschaft in Niederösterreich und im nördlichen Burgenland
Wien 2003
wert
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