Zurückschlagen als Widerstand
Entzieht sich meiner Kenntnis
Sabotage und Widerstand beim Verhör
1942 – 1943
„Brandplättchen selbst konstruiert“
Walter Kämpf, Skizze aus der Gestapo-Akte
„Ich markierte Zusammenbruch“
Walter Kämpf, Kassiber an seine Eltern
„Entzieht sich meiner Kenntnis“
Elfriede Hartmann, Gestapo-Verhörprotokoll
„Man wusste von diesen Menschenquälern keine Namen“
Hermine Hartmann, Brief an das Gericht von 1946
Hier geht es um die Sabotageakte der „Gruppe Soldatenrat“ und ihre Strategien beim Verhör durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Die Skizze zeichnete Walter Kämpf 1942 unter Folter. Er war Chemiker und hatte Brandsätze hergestellt, mit denen die Gruppe Anschläge auf kriegswichtige Einrichtungen (z.B. Bahnstrecken) ausführte. Der Kassiber von Walter Kämpf an seine Eltern berichtet 1943 über die schrecklichen Foltermethoden der Gestapo. Er zeigt aber auch die Stärke der jungen Widerstandskämpfer*innen aus dem Kommunistischen Jugendverband (KJV).
Beim Lesen eines Verhörprotokolls ist zu bedenken, dass das „ich“ hier ein anderer ist, und zwar der Gestapobeamte, der die Aussagen aufschrieb. Für Verhörprotokolle gilt Ähnliches wie für Fotos aus der Gestapokartei: Die Gefolterten werden aus der Sicht der Täter und Täterinnen vorgeführt und wir müssen sie (zumindest teilweise) so betrachten, auch wenn wir das nicht wollen. Trotzdem sind in solchen Protokollen immer auch Zeichen des Widerstandes zu erkennen. Die politischen Gefangenen mussten beim Verhör reden, sonst wurden sie zu Tode gefoltert. Also machten sie falsche Angaben oder gestanden bereits Bekanntes. Das Verhörprotokoll von Elfriede Hartmann zeigt auch den Versuch, andere Beteiligte zu schützen: „Diese Frau [hatte] von dem Zwecke unserer Besprechung keine Ahnung.“
Der Brief von Hermine Hartmann an das Landesgericht Wien aus dem Jahr 1946 betrifft die Folterung ihrer Tochter Elfriede durch die Gestapo. Aus der Zeitung hat Hermine Hartmann von der Verhaftung des Gestapobeamten Franz Loidolt erfahren. Sie ersucht das Gericht um eine Vorladung, um sich dem Prozess gegen ihn anzuschließen. Das Wiener Landesgericht hat Hermine Hartmann jedoch nicht vorgeladen.
„Brandplättchen selbst konstruiert“
Skizze von Walter Kämpf aus der Gestapo-Akte
28. April 1942
Brandplättchen
selbst konstruiert.
Rand zur Abdichtung überklebt.
Wattebausch mit Phosphor getränkt und zur Abdichtung von der Luft überklebt
Film
Füllung mit Zelluloidspänen
gezeichnet während meiner Haft am 28. IV. 1942
Walter Kämpf
Biografie Walter Kämpf
Biografien „Gruppe Soldatenrat“
Objekt
Skizze aus der Gestapo-Akte
Walter Kämpf
28. April 1942
Archiv
Bundesarchiv
R3017/22901
„Ich markierte Zusammenbruch“
Kassiber von Walter Kämpf an seine Eltern
16. April 1943 (Auszug)
Äußerungen über durchgeführte Sabotage (kann) ist mir nur Westbahn nachgewiesen. Im Vorzimmerkastl liegt auch nicht bekannter Sprengstoff.
Reg.-Rat Höpfner – Schwein schlug mich viel und ließ mich an den Händen aufhängen. In Fritzl (hat nur eine kranke Niere) ließ er 8 Liter Wasser hineingießen – dann drohte er mit weiteren 5 Litern. Führte ihn auf die Liesl [= Polizeigefangenenhaus Elisabethpromenade, heute Roßauer Lände] und zeigte ihm durch [das] Guckerl seine Mutter, die erst nach seinem Geständnis freigeht. Da spie er.
Ich markierte Zusammenbruch, weinte und spie falsche Sachen. Gestapo hat Stinkwut auf mich, weil ich sie ein paar Mal tüchtig hineinlegte. Leider kam mit der Zeit durch andere alles auf. Zum Teil gelang es mir aber, von hintenherum zu erfahren, was andere und Spitzel ausgesagt hatten. Meldete mich dann freiwillig zum Verhör, machte unter Tränen freiwillige Geständnisse, die sie ärgerten, weil sie nichts neues brachten.
[Abkürzungen und unverständliche Stellen wurden in der Transkription nach Steiner 1964: 108 beibehalten. Sie sind vermutlich auf die Entstehungsbedingungen des Kassibers zurückzuführen. Bei Klamper, Mang, Neugebauer 2018: 164f ist der Folterer „Regierungsrat Höfler“.]
Biografie Walter Kämpf
Biografien „Gruppe Soldatenrat“
Objekt
Kassiber von Walter Kämpf an seine Eltern
16. April 1943
Nur als Abschrift erhalten
Quelle
Herbert Steiner
Zum Tode verurteilt
Österreicher gegen Hitler
Eine Dokumentation
Wien 1964, S. 108
Archiv
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
1810
„Entzieht sich meiner Kenntnis“
Gestapo-Verhörprotokoll von Elfriede Hartmann
15. Mai 1942 (Auszug)
Jedenfalls liess uns eine Frau mittleren Alters in die Wohnung ein und konnte ich die Feststellung machen, dass sich diese Frau, während wir im Zimmer die Besprechung abhielten, in der Küche mit Haushaltsarbeiten beschäftigte. Ich hatte den Eindruck, dass diese Frau von dem Zwecke unserer Besprechung keine Ahnung hatte.
Nachdem ich mit Walter Kämpf schon vor dieser Besprechung über die Möglichkeit der Herstellung eines Brandkörpers gesprochen habe und sich Kämpf bereit erklärt hatte so einen Brandkörper herzustellen, brachte er zu dieser Besprechung so einen Brandkörper mit. Es handelte sich um einen Brandkörper zylinderi[s]che[r] Form ca. 8 cm lang und ca. 1.5 cm im Durchmesser. Die äussere Hülle bestand aus Papier und konnte ich sehen, dass das Ganze hermetisch abgeschlossen war. Es dürfte sich jedoch um eine Fehlkonstruktion gehandelt haben, weil dieser Brandkörper nachdem derselbe von Kämpf aus einer Blechverpackung herausgenommen wurde, fast zum Brennen anfing. Über die nähere Zusammensetzung dieses Brandstäbchens kann ich keine nähere Auskunft geben.
Walter Kämpf erklärte uns, dass er sich weiterhin bemühen wird, ein richtig funktionierendes Brandplättchen unter Verwendung von Zelluloidabfällen herzustellen. Gleichzeitig wurde von uns der Entschluss gefasst Zelluloidabfälle und negative Filmstreifen von Fotoapparaten zur Verfügung zu stellen. Meines Wissens wurde von Friedrich Mastny und Alfred Fenz an die Verbindungsleute des KJV, die Aufforderung durchgegeben eine Sammlung von diese[m] Zelluloidmaterial unter den KJV Mitgliedern durchführen zu lassen. Ich selbst habe ca. 5 Stück negative Fotoaufnahmen 6×9 cm aus meinem Besitze dem Walter Kämpf für diese Zwecke übergeben.
Walter Kämpf stellte nunmehr auf eine andere Art einige Probestücke unter Verwendung dieses Zelluloidmaterials in Form von Brandplättchen her. Ich gebe zu, dass ich bei den Versuchen, sowohl mit dem Brandstäbchen, als auch der Brandplättchen anwesend war. Ein Versuch über die Funktionsmöglichkeit des von Walter Kämpf konstruierten Brandstäbchens wurde im XV. Bezirk im Märzpark und ein Versuch mit den Brandplättchen in Floridsdorf auf dem Gelände des Wasserparkes gemacht. Ausser meiner Person und Kämpf war auch Friedrich Mastny anwesend. Bei den beiden Versuchen konnte ich die Feststellung machen, dass diese Brandkörper gut funktionierten.
Wie sich die Sache mit der weiteren Herstellung bzw. Verwendung dieser Brandplättchen entwickelt hat entzieht sich meiner Kenntnis.
[Unterschrift von Elfriede Hartmann mit Bleistift auf jeder Seite des Protokolls. Abkürzungen, Schreibweisen und Beistrichsetzungen wurden in der Transkription beibehalten.]
Biografie Elfriede Hartmann
Biografien „Gruppe Soldatenrat“
Objekt
Gestapo-Verhörprotokoll
Elfriede Hartmann
15. Mai 1942
Archiv
Bundesarchiv
R3017/22901 (Gestapo-Akte von Walter Kämpf)
Zitate S. 93f
„Man wusste von diesen Menschenquälern keine Namen“
Brief von Hermine Hartmann an das Landesgericht Wien
11. September 1946 (Auszüge)
Hermine Hartmann
Wien IX
Wasagasse 31/II/I/19
Eingangsstempel: 11. Sep. 46
An das Landesgericht für Strafsachen
Abt. 3 b
Wien VIII,
Landesgerichtsstr. 11
Zimmer 71
Betrifft: Strafsache Franz Loidolt
Einer Tageszeitung von Samstag entnahm ich, dass sich der Gestapobeamte Loidolt in Haft befindet. Das Referat, dem Loidolt angehörte, nämlich 11 A I, führte die Verhaftung meiner Tochter Elfriede durch, und ich selbst wurde von diesem Referat mehrfach einvernommen. Meine Tochter Elfriede, geb. 21. Mai 1921, wurde am 2. 11. 43 wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung im Landesgericht Wien justifiziert [= hingerichtet]. Um feststellen zu können, ob es Loidolt war, der hauptsächlich mit der Sache meiner Tochter zu tun hatte, müsste ich um Vorlage von entsprechendem Bildmaterial bitten, zu welchem Zweck ich um eine Vorladung ersuche.
Wie mir Mithäftlinge meiner Tochter mitteilten, wurde meine Tochter in der Gestapohaft in der ärgsten Weise misshandelt; um sie zu einem Geständnis zu pressen, wurde sie mit den Füssen nach oben aufgehängt, sie musste die ganze Nacht über gefesselt auf Zehenspitzen stehen und sie hatte in der Gestapohaft, wie sie mir selbst anlässlich eines Sprechtages in der Schiffamtsgasse sagte, arge Schmerzen, die unzweifelhaft von den Misshandlungen herrührten.
Mein inzwischen verstorbener Gatte wurde in eine Zelle am Morzinplatz geführt, musste Hut und Mantel ablegen und auf das Guckloch der Zellentür schauen. Draussen hörte er das Geräusch des Ladens von Pistolen und er glaubte, nunmehr erschossen zu werden. Wie sich jedoch später herausstellte, wurde Elfriede zu diesem Guckloch geführt und es wurde ihr ihr Vater in Haft gezeigt. Nachher wurde mein Gatte sofort wieder aus der Zelle herausgelassen und konnte sich nachhause begeben. Auch auf diese Weise wollte man von ihr ein Geständnis erpressen.
Loidolt war an diesen Misshandlungen als Angehöriger des Referates unzweifelhaft massgebend beteiligt, nur wusste man ja von diesen Menschenquälern keine Namen, so dass nur auf Grund von Fotos die Identität festgestellt werden könnte.
Ich würde mich demnach dem Strafverfahren gegen Loidolt als Privatbeteiligte anschliessen. Jedenfalls bitte ich um eine Vorladung und empfehle mich
hochachtungsvoll
Hermine Hartmann
Objekt
Brief von Hermine Hartmann
an das Landesgericht Wien
11. September 1946
Quelle
Johanna Mertinz, Winfried Garscha (Hg.)
Mut, Mut – noch lebe ich
Die Kassiber der Elfriede Hartmann aus der Gestapo-Haft
Wien 2013, S. 174f
Literatur
Marie Tidl
Die Roten Studenten
Dokumente und Erinnerungen 1938 – 1945
Karl R. Stadler (Hg.)
Materialien zur Arbeiterbewegung Nr. 3
Wien 1976
Lisl Rizy, Willi Weinert (Hg.)
„Mein Kopf wird euch auch nicht retten“
Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft
Wien 2016
Willi Weinert
„Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“
Wiener Zentralfriedhof – Gruppe 40
Wien 2004
Elisabeth Boeckl-Klamper, Thomas Mang, Wolfgang Neugebauer
Gestapo-Leitstelle Wien 1938 – 1945
Wien 2018
Sabotage und Widerstand beim Verhör
1942 – 1943
„Brandplättchen selbst konstruiert“
Walter Kämpf, Skizze aus der Gestapo-Akte
„Ich markierte Zusammenbruch“
Walter Kämpf, Kassiber an seine Eltern
„Entzieht sich meiner Kenntnis“
Elfriede Hartmann, Gestapo-Verhörprotokoll
„Man wusste von diesen Menschenquälern keine Namen“
Hermine Hartmann, Brief an das Gericht von 1946
Hier geht es um die Sabotageakte der „Gruppe Soldatenrat“ und ihre Strategien beim Verhör durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Die Skizze zeichnete Walter Kämpf 1942 unter Folter. Er war Chemiker und hatte Brandsätze hergestellt, mit denen die Gruppe Anschläge auf kriegswichtige Einrichtungen (z.B. Bahnstrecken) ausführte. Der Kassiber von Walter Kämpf an seine Eltern berichtet 1943 über die schrecklichen Foltermethoden der Gestapo. Er zeigt aber auch die Stärke der jungen Widerstandskämpfer*innen aus dem Kommunistischen Jugendverband (KJV).
Beim Lesen eines Verhörprotokolls ist zu bedenken, dass das „ich“ hier ein anderer ist, und zwar der Gestapobeamte, der die Aussagen aufschrieb. Für Verhörprotokolle gilt Ähnliches wie für Fotos aus der Gestapokartei: Die Gefolterten werden aus der Sicht der Täter und Täterinnen vorgeführt und wir müssen sie (zumindest teilweise) so betrachten, auch wenn wir das nicht wollen. Trotzdem sind in solchen Protokollen immer auch Zeichen des Widerstandes zu erkennen. Die politischen Gefangenen mussten beim Verhör reden, sonst wurden sie zu Tode gefoltert. Also machten sie falsche Angaben oder gestanden bereits Bekanntes. Das Verhörprotokoll von Elfriede Hartmann zeigt auch den Versuch, andere Beteiligte zu schützen: „Diese Frau [hatte] von dem Zwecke unserer Besprechung keine Ahnung.“
Der Brief von Hermine Hartmann an das Landesgericht Wien aus dem Jahr 1946 betrifft die Folterung ihrer Tochter Elfriede durch die Gestapo. Aus der Zeitung hat Hermine Hartmann von der Verhaftung des Gestapobeamten Franz Loidolt erfahren. Sie ersucht das Gericht um eine Vorladung, um sich dem Prozess gegen ihn anzuschließen. Das Wiener Landesgericht hat Hermine Hartmann jedoch nicht vorgeladen.
„Brandplättchen selbst konstruiert“
Skizze von Walter Kämpf aus der Gestapo-Akte
28. April 1942
Brandplättchen
selbst konstruiert.
Rand zur Abdichtung überklebt.
Wattebausch mit Phosphor getränkt und zur Abdichtung von der Luft überklebt
Film
Füllung mit Zelluloidspänen
gezeichnet während meiner Haft am 28. IV. 1942
Walter Kämpf
Biografie Walter Kämpf
Biografien „Gruppe Soldatenrat“
Objekt
Skizze aus der Gestapo-Akte
Walter Kämpf
28. April 1942
Archiv
Bundesarchiv
R3017/22901
„Ich markierte Zusammenbruch“
Kassiber von Walter Kämpf an seine Eltern
16. April 1943 (Auszug)
Äußerungen über durchgeführte Sabotage (kann) ist mir nur Westbahn nachgewiesen. Im Vorzimmerkastl liegt auch nicht bekannter Sprengstoff.
Reg.-Rat Höpfner – Schwein schlug mich viel und ließ mich an den Händen aufhängen. In Fritzl (hat nur eine kranke Niere) ließ er 8 Liter Wasser hineingießen – dann drohte er mit weiteren 5 Litern. Führte ihn auf die Liesl [= Polizeigefangenenhaus Elisabethpromenade, heute Roßauer Lände] und zeigte ihm durch [das] Guckerl seine Mutter, die erst nach seinem Geständnis freigeht. Da spie er.
Ich markierte Zusammenbruch, weinte und spie falsche Sachen. Gestapo hat Stinkwut auf mich, weil ich sie ein paar Mal tüchtig hineinlegte. Leider kam mit der Zeit durch andere alles auf. Zum Teil gelang es mir aber, von hintenherum zu erfahren, was andere und Spitzel ausgesagt hatten. Meldete mich dann freiwillig zum Verhör, machte unter Tränen freiwillige Geständnisse, die sie ärgerten, weil sie nichts neues brachten.
[Abkürzungen und unverständliche Stellen wurden in der Transkription nach Steiner 1964: 108 beibehalten. Sie sind vermutlich auf die Entstehungsbedingungen des Kassibers zurückzuführen. Bei Klamper, Mang, Neugebauer 2018: 164f ist der Folterer „Regierungsrat Höfler“.]
Biografie Walter Kämpf
Biografien „Gruppe Soldatenrat“
Objekt
Kassiber von Walter Kämpf an seine Eltern
16. April 1943
Nur als Abschrift erhalten
Quelle
Herbert Steiner
Zum Tode verurteilt
Österreicher gegen Hitler
Eine Dokumentation
Wien 1964, S. 108
Archiv
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
1810
„Entzieht sich meiner Kenntnis“
Gestapo-Verhörprotokoll von Elfriede Hartmann
15. Mai 1942 (Auszug)
Jedenfalls liess uns eine Frau mittleren Alters in die Wohnung ein und konnte ich die Feststellung machen, dass sich diese Frau, während wir im Zimmer die Besprechung abhielten, in der Küche mit Haushaltsarbeiten beschäftigte. Ich hatte den Eindruck, dass diese Frau von dem Zwecke unserer Besprechung keine Ahnung hatte.
Nachdem ich mit Walter Kämpf schon vor dieser Besprechung über die Möglichkeit der Herstellung eines Brandkörpers gesprochen habe und sich Kämpf bereit erklärt hatte so einen Brandkörper herzustellen, brachte er zu dieser Besprechung so einen Brandkörper mit. Es handelte sich um einen Brandkörper zylinderi[s]che[r] Form ca. 8 cm lang und ca. 1.5 cm im Durchmesser. Die äussere Hülle bestand aus Papier und konnte ich sehen, dass das Ganze hermetisch abgeschlossen war. Es dürfte sich jedoch um eine Fehlkonstruktion gehandelt haben, weil dieser Brandkörper nachdem derselbe von Kämpf aus einer Blechverpackung herausgenommen wurde, fast zum Brennen anfing. Über die nähere Zusammensetzung dieses Brandstäbchens kann ich keine nähere Auskunft geben.
Walter Kämpf erklärte uns, dass er sich weiterhin bemühen wird, ein richtig funktionierendes Brandplättchen unter Verwendung von Zelluloidabfällen herzustellen. Gleichzeitig wurde von uns der Entschluss gefasst Zelluloidabfälle und negative Filmstreifen von Fotoapparaten zur Verfügung zu stellen. Meines Wissens wurde von Friedrich Mastny und Alfred Fenz an die Verbindungsleute des KJV, die Aufforderung durchgegeben eine Sammlung von diese[m] Zelluloidmaterial unter den KJV Mitgliedern durchführen zu lassen. Ich selbst habe ca. 5 Stück negative Fotoaufnahmen 6×9 cm aus meinem Besitze dem Walter Kämpf für diese Zwecke übergeben.
Walter Kämpf stellte nunmehr auf eine andere Art einige Probestücke unter Verwendung dieses Zelluloidmaterials in Form von Brandplättchen her. Ich gebe zu, dass ich bei den Versuchen, sowohl mit dem Brandstäbchen, als auch der Brandplättchen anwesend war. Ein Versuch über die Funktionsmöglichkeit des von Walter Kämpf konstruierten Brandstäbchens wurde im XV. Bezirk im Märzpark und ein Versuch mit den Brandplättchen in Floridsdorf auf dem Gelände des Wasserparkes gemacht. Ausser meiner Person und Kämpf war auch Friedrich Mastny anwesend. Bei den beiden Versuchen konnte ich die Feststellung machen, dass diese Brandkörper gut funktionierten.
Wie sich die Sache mit der weiteren Herstellung bzw. Verwendung dieser Brandplättchen entwickelt hat entzieht sich meiner Kenntnis.
[Unterschrift von Elfriede Hartmann mit Bleistift auf jeder Seite des Protokolls. Abkürzungen, Schreibweisen und Beistrichsetzungen wurden in der Transkription beibehalten.]
Biografie Elfriede Hartmann
Biografien „Gruppe Soldatenrat“
Objekt
Gestapo-Verhörprotokoll
Elfriede Hartmann
15. Mai 1942
Archiv
Bundesarchiv
R3017/22901 (Gestapo-Akte von Walter Kämpf)
Zitate S. 93f
„Man wusste von diesen Menschenquälern keine Namen“
Brief von Hermine Hartmann an das Landesgericht Wien
11. September 1946 (Auszüge)
Hermine Hartmann
Wien IX
Wasagasse 31/II/I/19
Eingangsstempel: 11. Sep. 46
An das Landesgericht für Strafsachen
Abt. 3 b
Wien VIII,
Landesgerichtsstr. 11
Zimmer 71
Betrifft: Strafsache Franz Loidolt
Einer Tageszeitung von Samstag entnahm ich, dass sich der Gestapobeamte Loidolt in Haft befindet. Das Referat, dem Loidolt angehörte, nämlich 11 A I, führte die Verhaftung meiner Tochter Elfriede durch, und ich selbst wurde von diesem Referat mehrfach einvernommen. Meine Tochter Elfriede, geb. 21. Mai 1921, wurde am 2. 11. 43 wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung im Landesgericht Wien justifiziert [= hingerichtet]. Um feststellen zu können, ob es Loidolt war, der hauptsächlich mit der Sache meiner Tochter zu tun hatte, müsste ich um Vorlage von entsprechendem Bildmaterial bitten, zu welchem Zweck ich um eine Vorladung ersuche.
Wie mir Mithäftlinge meiner Tochter mitteilten, wurde meine Tochter in der Gestapohaft in der ärgsten Weise misshandelt; um sie zu einem Geständnis zu pressen, wurde sie mit den Füssen nach oben aufgehängt, sie musste die ganze Nacht über gefesselt auf Zehenspitzen stehen und sie hatte in der Gestapohaft, wie sie mir selbst anlässlich eines Sprechtages in der Schiffamtsgasse sagte, arge Schmerzen, die unzweifelhaft von den Misshandlungen herrührten.
Mein inzwischen verstorbener Gatte wurde in eine Zelle am Morzinplatz geführt, musste Hut und Mantel ablegen und auf das Guckloch der Zellentür schauen. Draussen hörte er das Geräusch des Ladens von Pistolen und er glaubte, nunmehr erschossen zu werden. Wie sich jedoch später herausstellte, wurde Elfriede zu diesem Guckloch geführt und es wurde ihr ihr Vater in Haft gezeigt. Nachher wurde mein Gatte sofort wieder aus der Zelle herausgelassen und konnte sich nachhause begeben. Auch auf diese Weise wollte man von ihr ein Geständnis erpressen.
Loidolt war an diesen Misshandlungen als Angehöriger des Referates unzweifelhaft massgebend beteiligt, nur wusste man ja von diesen Menschenquälern keine Namen, so dass nur auf Grund von Fotos die Identität festgestellt werden könnte.
Ich würde mich demnach dem Strafverfahren gegen Loidolt als Privatbeteiligte anschliessen. Jedenfalls bitte ich um eine Vorladung und empfehle mich
hochachtungsvoll
Hermine Hartmann
Objekt
Brief von Hermine Hartmann
an das Landesgericht Wien
11. September 1946
Quelle
Johanna Mertinz, Winfried Garscha (Hg.)
Mut, Mut – noch lebe ich
Die Kassiber der Elfriede Hartmann aus der Gestapo-Haft
Wien 2013, S. 174f
Literatur
Marie Tidl
Die Roten Studenten
Dokumente und Erinnerungen 1938 – 1945
Karl R. Stadler (Hg.)
Materialien zur Arbeiterbewegung Nr. 3
Wien 1976
Lisl Rizy, Willi Weinert (Hg.)
„Mein Kopf wird euch auch nicht retten“
Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft
Wien 2016
Willi Weinert
„Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“
Wiener Zentralfriedhof – Gruppe 40
Wien 2004
Elisabeth Boeckl-Klamper, Thomas Mang, Wolfgang Neugebauer
Gestapo-Leitstelle Wien 1938 – 1945
Wien 2018